S21 – Direkte Demokratie wagen?

Ich bin kein wirklich politische interessierter Mensch, wie man problemlos aus der Historie meiner Blogposts erkennen kann. In den letzten Jahren interessieren mich immer mehr politische Themen und Modelle – und ich glaube nicht, daß sich dies nur mit meinem fortschreitenden Alter erklären lässt ;). Neben Themen rund um die Netzpolitik merke ich, daß gerade beim aktuellen Thema Stuttgart21 scheinbar wenig Verständnis vorhanden ist. Dies fällt vor allem auf, wenn gleichermaßen S21 Befürworter und Gegner in mir „ihren Feind“ sehen. Meine Kritik richtet sich nicht gegen das S21-Projekt an sich. Dafür habe ich mich über die Jahre weit zu wenig mit S21 auseinandergesetzt. In der aktuellen Situation ist es überaus schwierig geworden, wirklich neutrale und objektive Betrachtungswinkel zu finden und nicht mutwilliger oder unbeabsichtigter Verzerrung zu unterliegen.
Gerade bin ich auf einen Artikel zu Stuttgart21 bei SPON gestoßen, in dem am Ende das Thema Direkte Demokratie aufgegriffen wird:

„Dass das Interesse an der Mitwirkung groß ist, zeigen nicht nur die Dauer-Demos in Stuttgart. Dort, wo es direkte Demokratie bereits gibt, machen die Wähler auch mit. Bei einem Volksentscheid im Hamburger Stadtteil Altona über die nicht gerade weltbewegende Frage, ob Ikea eine City-Filiale bauen darf oder nicht, beteiligten sich mehr Bürger als an der Europawahl. Und direkte Demokratie muss keineswegs – wie Kritiker gerne behaupten – den Triumph des Tumben und die Dominanz des Destruktiven bedeuten. Die Umfragen in Baden-Württemberg zu Stuttgart 21 sind nicht so eindeutig, wie es die Massivität der Proteste vermuten lässt.“

Ich bin davon überzeugt, daß dies zutrifft. Die neuen Medien schaffen Möglichkeiten neuer Transparenz und gleichzeitiger Einflussnahme. Liquid Democracy nennt sich ein Konzept, das repräsentative und direkter Demokratie vereint. Anfang des Jahres habe ich mir die Aufzeichnungen zum Vortrag auf dem 26. Chaos Communication Congress angesehen. „Unsere demokratischen Möglichkeiten sind extrem veraltet, es wird Zeit, dass sich die Welt weiterentwickelt.“, sagt Daniel Reichert. In der Praxis ist dieses Konzept im Gegensatz jedoch bei weitem noch nicht angekommen und unsere Gesellschaft längst nicht dazu bereit. Ich habe mich nicht tiefer damit auseinander gesetzt, aber ich denke, dass diese Ideen unbedingt weiter gedacht werden sollten. Kontextschmiede erklärt mit diesem Video sehr simpel worum es geht:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=r0G_vuWTOUw[/youtube]
Ach – und eigentlich möchte ich an dieser Stelle nicht über den Sinn oder Unsinn von S21 selbst diskutieren, das wird an anderen Stellen schon genug getan ;).
Zum weiter Lesen:

Über Cedric Weber

Ich schreibe seit Mai 2003 zu Themen rund um das Web2.0, Enterprise2.0, Social Software, Wikis, Weblogs, online Kollaboration, Instant Messaging, sowie Linux / Ubuntu und Apple. Dazwischen findest du Themen aus meinem Alltag - über Glaube und Spiritualität, Fotografie, Musik und vieles andere.

4 Gedanken zu „S21 – Direkte Demokratie wagen?

  1. Für LD scheint ein Rechner zwingend Voraussetzung zu sein. Zumindest in den Fällen, in denen ich direkt abstimmen möchte. Was aber, wenn der Betroffene keinen Rechner / Internet Zugang hat? Wie wird in diesem Fall LD funktionieren über den gekaperten Rechner im Internetcafé? Oder gesetzt der Fall mein Sohn „ein Nerd“ hat eine andere politische Sicht als ich? Er wird meine „Stimme“ mit nutzen können, ohne dass ich es merke. Die Idee von LD finde ich klasse. Ich zweifle an der Machbarkeit, gestehe aber gleichzeitig, nicht alle Einzelheiten des Konzeptes durchgearbeitet zu haben.
    /me liest mal weiter. Bis dahin Zeh Uh.

  2. Hm, in den meisten Fällen wäre ein Rechner natürlich ganz geschickt. Inwiefern sich ein solches Szenario angemessen sicher im Sinne der Datensicherheit und Authentifizierung realisieren lässt ist sicherlich unklar. Weiter ist das ganze ja auch nur eine digitale Abbildung die eine viel einfachere Partizipation ermöglichen soll. Ob sich durch LD gleichzeitig unser bisheriges repräsentatives Konzept ausschließt? Ich glaube nicht und somit sind auch weiterhin Alternativen vorhanden.

  3. „Die sogenannte „Liquid Democracy“ in der man per Mausklick mitbestimmen kann ob der neue Bahnhof gebaut wird oder nicht, ist eine bekannte Forderung in der Netzgemeinde. Ich muss Sie aber enttäuschen, ich bin ein Fan der repräsentativen Demokratie. Ich halte es für besser, wenn wir kleinteilige Entscheidungen administrativ geschultem Personal überlassen.“
    (Sascha Lobo – in GQ Nov.2010)

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